16° 54,24N, 042° 8,70W

Noch 1.100 sm bis Saint Lucia. Die Nachtwachen haben sich nach 9 Tagen auf See gut eingespielt. Von 1900 bis 2200 hat Uwe Wache. Ich klariere in dieser Zeit die Pantry und stehe als Freiwache bis 2200 im stby. Der Rest der Mannschaft verkrümelt sich nach dem Essen in die Kojen. Von 2200 bis 0100 hält Oskar Wache und Uwe ist stby im Cockpit. Von 0100 bis 0400 ist Marcus dran und Oskar ist im stby. Ab 0400 bis 0700 kommt Charly zur Wache und Marcus schlägt sein Schlaflager auf der BB-Cockpitseite auf. Gut mit einer Seaside-Decke eingedeckt und Anglerkappe sowie seiner Automatik-Rettungsweste geschützt, verschläft er regelmäßig den Tagesanbruch.

Heute Morgen frischte der Wind endlich wieder bis auf 25 kn auf und beschleunigte uns auf angenehme 9,5-10,5 kn. Während des morgendlichen Cockpitpalavers habe ich dann schon mal den Kühlschrank inspiziert und alles Angebrochenen und dem Haltbarkeitsdatum Entsprechende fürs Frühstück herausgeholt. Tomate mit Mozzarella war gerade fertig vorbereitet, da plötzlich ein lauter Knall und Segelschlagen. Der Spibaum, welcher nun schon seit 8 Tagen fleißig seinen Dienst tut, schwingt lose an der Genuaschot herum. Grund ist, dass die kleine Dyneemaschlaufe, in der Vor- und Achterholer befestigt werden, aus der Verankerung gerutscht ist. Also alle Mann an Deck. Charly, Oskar und Uwe aufs Vordeck. Genua einrollen und eine neue provisorische Dyneema Schlaufe anbauen.

Die Bastelei auf dem Vordeck nutze ich effektiv und lasse die Angelschnur achter rauslaufen. Sollte jetzt ein Fisch beißen, wäre dies ein günstiger Zeitpunkt. Nur 7,5 kn Fahrt und manövrierfähig, da der Spibaum nicht geriggt ist. Mahi Mahi – dies ist unser Kommando, wenn ein Fisch gebissen hat. Und so war es in diesem Moment: Mahi Mahi, Mahi Mahi, alle Mann ins Cockpit! Es ist der vierte Fisch auf unserer Fahrt. Der Zug an der Angel war ordentlich. Also Bug etwas in den Wind und Fahrt herausnehmen. Achterdeck mit dem Seewasserschlauch nässen, Messer, große Plastikkiste, Alkoholspritze, Kescher und Fischeinholhaken bereitlegen. Handschuhe an. Es ist wieder eine ca. 80 cm lange Gelbflossen-Makrele, ein Mahi Mahi.

Nachdem Uwe sich gestern erstmalig als Fischfiletierer versucht hat, haben wir beschlossen, dass da doch noch erheblicher Übungsbedarf besteht. Er soll sich doch bei seinem nächsten eigenen Törn in der Adria nicht blamieren! Also Uwe soll den gelben Kämpfer an Deck holen, so wie Oskar dies bei den letzten drei Fischen mit Bravour erledigte. Aber jetzt fehlte es am schnellen, beherzten Zupacken. Der schöne Fisch konnte sich in letzter Sekunde durch kräftiges Herumschlagen vom Hacken lösen und verschwand nach erfolgreicher Gegenwehr verdient in der blauen Tiefe. Allerdings nicht ohne seinen Peiniger, den 5 cm großen Hacken, der zudem unter großer Spannung stand, zurückschnellen zu lassen, so dass das silber-glänzende Schmuckstück umgehend in Uwe‘s rechtem Unterarm landete. Das neue Piercing, geschmückt mit einer bunten Tintenfischimitation hatte sich glücklicherweise nicht bis zum Wiederhacken versenkt und konnte so leicht vom Opfer selbst entfernt werden. Unser Sanitäter kümmerte sich mit Desinfektionsspray um die Nachversorgung. 

Der Rest der Crew vollendete das Manöver mit dem Spibaum und zügig war die Genua wieder ausgebaumt, so dass die Seaside wieder ordentlich an Fahrt zunimmt.

Leider ist dies nicht das einzige Problem mit dem Spibaum. Die Kräfte, die durch den Spibaum auf die am Mast befestigte Spibaumschiene wirken, sind enorm. Je weiter der Baum quer geriggt wird, desto höher ist die Kraft, die dafür sorgt, dass die Schiene vom Mast herausgerissen wird. Es hat sich hierdurch schon ein kleiner Spalt zwischen Schiene und Mast aufgetan. Um dem entgegenzuwirken, haben wir den Anstellwinkel des Spibaums etwas vorlicher eingestellt und mithilfe eines Dyneemabands die Querkräfte etwas abgefangen. Das sollte bis Saint Lucia halten. Leider werden wir durch die nicht optimale Stellung des Spibaumes etwas langsamer, genauso wie durch die sicherheitshalber geringere Spannung der Genuaschot.

Soviel Aktion an nur einem Vormittag lässt meine Crew an Ort und Stelle verschwinden. Uwe kippt im Salon zur Seite und ratzt erst mal `ne Stunde. Oskar ist zunächst unauffindbar. Keiner hat gemerkt, dass er in der Koje verschwunden ist. Marcus nutzt den Durchhänger für ein ausgiebiges Duschbad. Charly entspannt sich mit seiner Navigationsarbeit und dem Positionsreport. Da bleibt für mich nur die Aufsicht über Kurs, Wind, Welle und Technik. Generator, Spülmaschine, Watermaker und Abwassersumpf im Vorschiff wollen bepuschelt und bedient werden.

Für Sanitäter, Marcus, der ja auch als gelernter Bäckermeister und Konditor für jegliche Art von Backwaren hier an Bord verantwortlich ist, beginnt nun seine Backschicht. Zwei Back-Tage hatten wir schon und konnten so stets frisch gebackenes Brot genießen. Nun also hat unser heutiges Frühstück die letzten Krümel dahingerafft. Neues muss her. Da passt es gut, dass gerade heute eine Körnerbrotbackmischung meinem Adventskalender entsprungen ist. Angesetzt, angebraten, eingeweicht, aufgekocht, in Form gebracht, quellen gelassen und im Ofen fertig gebacken –fertig. Super!

Das Körnerbrotlein wird 5 Kerle nicht für 2 Tage satt machen. Also wird in der Backstube noch mal gewerkelt: Ciabatta soll es werden. 750 g Weizenmehl, 400ml Wasser, 4 g Hefe, 15 g Salz, 30 ml Olivenöl, Thymian und Oregano werden zu einem weichen Teig geknetet und 5 Std. quellen und garen gelassen. Anschließend sollten nach ca. 35 Minuten im Ofen zwei Ciabattas zur Verfügung stehen. Ich bin mir sicher, dass das klappt.

So jetzt ist Kaffee-Zeit und wir werden die kleinen Müsli-Leckereien wegfuttern, die wir von Jörg und Ulrike für das Erreichen der halben Strecke als Belohnung geschenkt bekommen haben. Lieben Dank an die beiden!

Viele Grüße von der Seaside

Torsten